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Lesetexte

Liste der allergrößten Unnötigkeiten

Eine Überflüssigkeit

(Auszüge)

Was die Welt BRAUCHT lässt sich wahrscheinlich nur anhand des Ausschlussprinzips ermitteln. Schaun wir uns also lieber an, was übrig bleibt, wenn wir festlegen, was die Welt alles ganz besimmt nicht braucht.

Ich habe hier eine Liste angefertigt, die ich mit  missionarischem Eifer zu erweitern bemüht bin. Mag uns auch die umfassende Dokumentation allen überflüssigen Schaffens und Produzierens als ein letztlich uferloses Unterfangen  erscheinen.

Infoscreens in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Ein bislang kaum erreichtes Maß an Überfüssigkeit können ganz bestimmt die Infoscreens in U-Bahnhöfen (und natürlich die nicht minder verzichtbaren kleinen Bildschirme im Waggon selbst)  für sich beanspruchen.

In der kurzen Zeitspanne, die wir wunderbar dazu nützen könnten, einmal durchzuatmen, am Wurstbrot abzubeißen oder hinter einer Säule dezent einen fahren zu lassen, wird unser Blick an Screens gefesselt, die unsere Gehirne mit geheimen Beziehungen von B-Promis, Impfskandalen, geplatzten Koalitionsverhandlungen und geschickt zwischen diverse Kathastrophenbilder gepackter Schleichwerbung zukleistern.

„ACHTUNG - Ihr Zug fährt ein!“ ist die einzig sinnvolle Information auf diesen digitalen Aufmerksamkeitsvampiren, die aber für manche Fahrgäste zu spät kommt, wenn sie angesichts des kompakt präsentierten Zustands der Welt den Freitod am Gleis gesucht haben.

Rauhlederpflege

Da jeder gute Haushalt mit herkömmlichem Schuhputzzeug aller Art versorgt ist, wird einem beim Schuhkauf meist eine ganz besonders ratsame Spezialpflege aufs Aug' gedrückt. Das schlechte Gewissen des Schäppchenkäufers kann dabei besonders leicht getriggert werden, das Spraydöschen Rauhlederpflege samt Lamellenbürste bringt dem vom Internet-Preisdruck geplagten Einzelhändler wenigstens einen bescheidenen Reibach. Den spezifischen Imprägnierspray verwende ich dann immer exakt einmal und schnappe danach hysterisch nach Luft, während ich die Nummer der Vergiftungszentrale ergoogle. (Einzig sinnvolle Nutzung: Für den Fall eines Einbruchs liegen im Eingangsbereich unserer Wohnung etwa 20 solcher waffenscheinfreien Personizide bereit.)

Spargelessen

Ein Spargelessen pro Saison ist absolute Bürgerpflicht. Die Spargelsaison auszusparen klingt angesichts der vielen lebensverlängernden Inhaltsstoffe geradezu suizidal. Laut Verordnung des Landwirtschaftsministeriums, kundgemacht in diversen Lifestyle- und Kochzeitschriften, braucht es dazu mindestens ein Menü aus Spargelsuppe, Spargelspitzen-Vinaigrette und Spargel mit Beinschinken und/oder Sauce Hollandaise, begleitet vom einzig passenden Weißwein oder Spargel-Smoothie. Spargel ist das Elfenbein des heimischen Gemüsebauern, der Verzehr ist teuer und schick, auch wenn wir uns beim Urinieren die Nase zuhalten müssen, wie im Frühling, wenn im Zoo das Elefantenhaus aufsperrt.

Weihnachtsmärkte

Die Absage der Weihnachtsmärkte gehört zu den wenigen positiven Auswirkungen der Coronakrise. Ob Räuchermännchen aus dem Erzgebirge oder handgeschnitzte Krippenfiguren aus Nepal: Mir fällt kein einziger auf einem Weihnachtsmarkt erstandener Gegenstand ein, dessen Bedeutung länger angehalten hätte, als bis zum Verlassen des Weihnachtsmarkts. Pflichtgetränk am Weihnachtsmarkt ist der Punsch, dessen Zusammensetzung sich jeden Tag ändert, je nachdem, was der Miraculix am jeweiligen Punschstandl an Resten in Flaschen und Tetrapacks findet.

Leider zerstört der Punsch jede Menge Gehirnzellen, sodass wir uns im nächsten Jahr wieder nicht an unseren feierlichen Schwur erinnern werden, nie mehr einen Weihnachtsmarkt zu betreten.

(to be continued)